Denkanstöße: Frauenrollen in patriarchalen Settings
Facebook ist ein tolles Medium. Viele Leute posten spontan interessante Kommentare zu verschiedenen Themen. Da wir uns auf facebook keine perfekt ausformulierten, rundum durchdachten Beiträge erwarten, ist die Hemmschwelle, etwas beizutragen viel geringer. Deshalb wird auf facebook viel diskutiert, auf Blogs hingegen nur wenig. Der Nachteil von facebook ist, dass alle Beiträge irgendwann im Dunkel der timeline verschwinden. Ich möchte deshalb versuchen, eine (subjektive) Auswahl an facebook-Beiträgen zu immer wiederkehrenden Diskussionsthemen dauerhaft in diesem Blog zu archivieren, damit wir später darauf verweisen können und nicht immer wieder von vorne beginnen müssen. Die folgenden Beiträge sind mit Einverständnis der Autor*innen (teilweise gekürzt, aber ansonsten unverändert) wiedergegeben.
Marina Warncke hat die Diskussion eröffnet:
Gecastete Frauenrollen in historischen/patriarchalisch dominierten Settings.
Fällt es euch schwer interessante, starke und trotzdem dem Setting angepasste weibliche Charaktere zu schreiben oder ist dies kein Thema für euch?
Welche Möglichkeiten zur Ausübung von Macht und Einfluss haben Frauenrollen in solchen Settings abgesehen von der Sexuellen?
Sind wir als Autoren zu sehr von den gängigen Klischeé Vorstellungen des Mittelalters bzw. des 19. Jahrhunderts geprägt?
Verknüpfen wir interessante, spannende Plots eher mit männlichen Rollen wobei Weibliche danach mehr oder minder “hinzugefügt” werden?
An SpielerInnen von weiblichen Rollen:
Habt ihr schon mal einen “langweiligen” weiblichen Charakter zugeteilt bekommen und wenn ja was hätte man eurer Meinung besser machen können?
Neigt ihr bei bestimmten Settings eher dem Wunsch nachzugehen eine “Hosenrolle” zu spielen, aus Angst die weibliche Rolle würde euch unterfordern/euren Bedürfnissen nicht genügen?
(Link zur Original-Diskussion mit sämtlichen Beiträgen.)
Betti Auberger hat geantwortet:
dieses Thema ist unter anderem der Grund wieso mein Larp im Witcher Setting, und vor allem in den unteren Schichten spielt (wo Frauen oft gleichgestellter waren als bei den Adligen bzw nicht so eingeschränkt in ihrer Handlungsmöglichkeit.
Dennoch kam die Kritik hoch (eher von mir selbst), dass typischerweise im Hintergrund von weibl. Chars sowas wie Vergewaltigung, ehelose Kinder, Abtreibung, … oft sehr definierend für dessen Backstory war.
Grundsätzlich fiel es mir nicht schwer starke Frauenrollen zu schreiben, und mein Bruder meinte irgendwann sogar “wir schreiben voll die Amazona Megista Rollen und die Männer kommen oft schlechter weg”.
Mein Pro Tipp beim Charakterschreiben ist sich vorher 3-4 Themen/Gefühle/etc zu überlegen, die der Spielinhalt sein sollen oder was der Charakter erleben soll. Da herum bau ich dann den Rest.
Als Spielerin gebe ich offen und ehrlich zu, dass es Orgas gibt denen ich vertraue mir eine tolle Rolle in einem solchen Setting zu zuteilen, sei es Sklaven/Diener oder in einem hist. patriachalischen Setting.
Lydia Valant hat geantwortet:
Ich glaube schon, dass wir viel zu sehr viktorianisch geprägt sind. Davor gab es ja immer auch Berufe und selbständige Tätigkeiten, die Frauen ausführen durften und taten, ohne dass sie dafür negativ angesehen wurden. Gerade im Mittelalter übernahmen oft Frauen das Gewerbe des verstorbenen Mannes, wo sie vorher mitgeholfen haben, sie wurden also die selbständigen Inhaber einer Werkstatt uÄ.
Ein klassisches Beispiel für unterbeschäftigte Rollen ist die “Zofe”. Wenn man sich aber den historischen Begriff ansieht, ist das deutlich mehr als jemand, der hinterher dackelt, es ist eine Abhängigkeit vergleichbar mit Meister-Lehrling. Die Zofe ist von ähnlichem Stand, keine niedrige Magd, und wird zur Dame ausgebildet, während die Herrin ihr diese Ausbildung natürlich gewährleisten muss, ihr Kontakte am Hof und wenn möglich sogar einen Ehemann vermitteln sollte. Intrigen, Botengänge und Co. inklusive für den Zofencharakter.
Da sehe ich einfach überall die Verfehlung im Nichtwissen der Orgas mit historischem Setting. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, starke Frauen zu schreiben, die dennoch zu 100% in die historische Zeit passen.
Ich selbst habe mit meinem Setting im 18. Jahrhundert weniger Probleme, solche Rollen zu finden. Wir spielen nicht die oberste Schicht, aber selbst da gibt es Möglichkeiten, nicht nur zu sticken und dekorativ zu sein. Ich versuche eigentlich immer, etwas zu finden, was einem Spaß machen kann, ohne die gesellschaftlichen Grenzen der Zeit zu sprengen. Zudem dürfen sich die Charaktere gerne “emanzipieren” und müssen nicht in ihren anfänglichen Abhängigkeiten bleiben (sofern es für die Zeit natürlich plausibel ist; wobei wir das Heer mit der Ausnahme haben, dass sich Frauen, wenn sie sich in den “Männeralltag” eingliedern können, durchaus einschreiben können).
Ein paar Beispiele für meine weiblichen Charaktere:
– Die Frau des Obersten, die im Hintergrund alle politischen und gesellschaftlichen Fäden zieht
– Die Alleinerzieherin, die sich ein Gewerbe aufgebaut hat
– die Ehefrau, die die Rebellen finanziert
– die Frau, die sich auch durch Schläge und sonstiges nicht kleinkriegen lässt
– die Bankerin
– die Frau, die ihre Männer an der Nase herum führen könnte, wenn sie will
– die Frau, die sich scheiden ließ und lieber in Armut lebt statt mit dem Trinker
– das Mädl, das lieber einen Fremden heiratet für die Abenteuer in der Ferne als unter den Augen der feinen Gesellschaft bleibt
Ich habe bisher nur positive Rückmeldungen für die von mir geschriebenen Charaktere bekommen. Ich muss aber auch sagen, dass, wenn die Spielerinnen ihren Charakter als zu eingeschränkt empfinden, sie irgendwann selbst schuld sind, weil sie von mir diese Einschränkung nicht mit bekommen (klar, leicht mach ichs ihnen als Orga auch nicht 😉 aber das mach ich den Männern auch nicht).
Ja, ich hatte mehrmals schon Spiele, wo ich nur Dekoration war. Auf denen hatte ich Plots, die zu minimal, für andere uninteressant oder von anderen zu abhängig waren. Und es war einfach nur fad.
Gerade deshalb schaue ich, dass “meine” Frauen spielen können, ohne von (Männer-)Figuren allzu abhängig zu sein.
Ich habe noch nie eine Hosenrolle gespielt und will es auch nicht unbedingt. Zu deppert zum Nähen nach dem Mittelalter
Marianne Singer hat geantwortet:
mein Lieblingsthema … XD
ich fass mich aber kurz und möglicherweise etwas unsensibel, fucking-corona-real life-problems fressen grad sämtliche Kapazitäten für Sozialverträglichkeit.
bzgl. Charactere schreiben: hab ich noch nicht gemacht, aber ich werde mich in der Zukunft bemühen. 🙂
Welche Möglichkeiten zur Ausübung von Macht und Einfluss haben Frauenrollen in solchen Settings abgesehen von der Sexuellen?
– kommt auf die historische Epoche an (typische Historiker*innen-Antwort, sorry). Aber wenn man sich zB 2 Settings anschaut, die in Österreich viel bespielt werden (Barock + Viktorianik), dann könnte es Frauen in fast alle Positionen geben außer im Militär (Handwerkerinnen, Händlerinnen, Adelige, Grundbesitzerinnen, Erbinnen, Wissenschaftlerinnen, Ärztinnen, Amtsträgerinnen, …).
Sind wir als Autoren zu sehr von den gängigen Klischeé Vorstellungen des Mittelalters bzw. des 19. Jahrhunderts geprägt?
– definitiv. Der aktuelle historische Forschungsstand gibt so viel mehr her, wird aber gerne ignoriert. Manchmal kommt man nicht mal mit den entsprechenden historischen Belegen durch, weil es nicht in das nostalgische Bild vom Setting passt.
Verknüpfen wir interessante, spannende Plots eher mit männlichen Rollen wobei Weibliche danach mehr oder minder “hinzugefügt” werden?
– teils. meine Erfahrung (aus Spielerinnen-Sicht) ist eher, dass hauptsächlich Plots geschrieben werden, die sich in der “männlichen Sphäre” abspielen, wo weibliche Charaktere wenig Raum haben. Rahmenhandlungen bei denen weibliche Charaktere gleichermaßen Agenda haben sind selten.
Habt ihr schon mal einen “langweiligen” weiblichen Charakter zugeteilt bekommen und wenn ja was hätte man eurer Meinung besser machen können?
– langweilig manchmal, aber stereotyp zu 95%. Was man besser machen könnte: das Potential an historischen Vorbildern voll ausschöpfen, Hintergründe ohne Geschlechterstereotype schreiben (wurde schon weiter oben erwähnt – es gibt mehr Motivationen im Leben einer Frau als Liebe oder sexuelle Gewalterfahrungen), mächtige Frauenfiguren schreiben (da täte eine Quote echt gut), bewusstes play-to-lift, und v.a. Settings wählen die weibliche Charaktere nicht von vornherein ausschließen oder an den Rand drängen (Beispiel: wenn sich der Plot um Kriegshandlungen und Militär drehen, ist absehbar, dass Frauen nur als Dienerinnen/Prostituierte/sonstiges Fußvolk vorkommen).
Neigt ihr bei bestimmten Settings eher dem Wunsch nachzugehen eine “Hosenrolle” zu spielen, aus Angst die weibliche Rolle würde euch unterfordern/euren Bedürfnissen nicht genügen?
– definitiv. Der Unterschied ist gravierend – als Mann bekomme ich mehr Plot, als ich haben will. Das traurige ist, es löst das zugrunde liegende Problem ja nicht, wenn man ans andere Ufer wechselt (nur die eigene Situation wird verbessert).
ich hab vor 1,5 Jahren mal eine best-practice-Ideensammlung unter Larp-Autorinnen gemacht, aber den Text nie fertiggestellt (ich hab ihn dem einen oder anderen von euch schon versprochen, sorry, mea culpa …). Irgendwann mach ich das mal.
Grundsätzlich sollten wir uns fragen, ob es legitim ist, die vermeintliche Authentizität eines Settings über den Spielspaß von 50% der Spielerschaft zu stellen, und wem das nutzt.
Und warum wir so scharf drauf sind, diskriminierende Settings zu reproduzieren (so geil war die gute alte Zeit für einerseits Frauen und andererseits die Unterschicht mehrheitlich nicht), wenn die Diskriminierung nicht als narratives Instrument gerechtfertigt ist (also zB ein wichtiges Motiv in einem Charakterhintergrund ist)? wenn die IT-Diskriminierung nur Nostalgie ist? wem nutzt das?
Rosa Michor hat geantwortet:
Für mich als Spielerin liegt das Problem in immernoch wirkenden, patriachalen Gesellschaftsstrukturen, die OT zu jeder Zeit wirken. Nicht nur die, sondern auch andere, wie Rassismus ect. Gespielter, freiwilliger Sexismus kann ja super lustig sein und sogar hilfreich genau jenen zu reflektieren denke ich. Aber ganz klassischen, schmerzhaften Sexismus gibts in Spielen/Vorbereitungen auch. Danke Marianne Singer für deinen Beitrag, dem ich nur zustimmen kann.
Kein Larp befindet sich da im politik-freien Raum. Ich finde es großartig, wieviele Menschen sich bemühen diese Strukturen im Spiel auf allen Ebenen zu hinterfragen. Das ist sehr schwierig, anstrengend und verwirrend und so viele arbeiten an sich selbst und an ganz praktischen Dingen wie Spielmechaniken. Viele Vorurteile, Stereotypen, Scham und Unsicherheiten sind einfach so tief in uns allen, auch in mir natürlich, drinnen, dass es echt schwer ist, sie zu erkennen und loszuwerden. Im Larp gibt es da grundsätzlich eine große Chance, genau diese Strukturen auch zu erkennen, oder eben unterschiedliche Rollen auszuprobieren. (Oder: WOW auch einfach so grandiose Frauen kennenzulernen und spielen zu sehen, oder auch Männer in ganz unterschiedlichen, vielschichtigen Rollen. Das war oft einfach extrem beeindruckend für mich und lässt Normen hinterfragen.) Seitdem ich in Larps mehr Facetten an Rollen, Konflikten und Szenen spiele, fällt es mir im Alltag auch viel leichter, unterschiedlich auf die Auswüchse patriarchaler Strukturen in meinem Verhalten oder im Verhalten von anderen Menschen zu reagieren. Es bleibt trotzdem für mich viel Luft nach oben diese OT Dynamiken nicht selbst auf Spielen zu unterstützen, oder auch mal was anzusprechen. Nocheinmal: Ich finde es großartig was viele schon überlegen, hinterfragen und sich bemühen wenn es um dieses Thema geht, aber ganz ehrlich: Es gibt noch viel für uns alle zu tun.
Zu den konkreten Fragen: Irgendetwas zu schreiben, was nicht durch meine eigene Sozialisation extrem beeinflusst ist, ist gar nicht möglich. Patriarchale Strukturen wirklich auszuhebeln braucht extremes Querdenken, Übung und Anstrengung und viel Austausch mit anderen. Patriarchale OT Strukturen auf Larps sind ja genau dieselben wie auf der Straße, in der Firma oder im Darknet 🙂 Aber wir haben den Vorteil, dass wir im Spiel viel ausprobieren können.
Was besser gemacht werden könnte: Rollen schreiben, ohne vorher das Geschlecht klar zu haben. Dieses Thema ansprechen. Raum für Disskusionen öffnen. (Genau wie es hier gerade passiert) Privilegien hinterfragen.
Maximilian Hofbauer hat geantwortet:
Als jemand, der einerseits Spiele in einem Setting mit stark patriarchalen Gesellschaftsstrukturen macht, andererseits aber meist deutlich mehr als 50% Frauen unter den Angemeldeten hat, ist das ein Thema, das mich schon lange beschäftigt. Besonders bemerkenswert finde ich, dass sich die bestehende Problematik sowohl auch in Settings wiederfindet, in denen es keine genuine Ungleichheit der Geschlechter gibt, als auch auf solchen Spielen, die von Frauen geschrieben werden. Ich vermute also, dass unter anderem auch unser aller kulturelle Sozialisierung eine Rolle spielt. Wir sind eben mehrheitlich Geschichten gewohnt, die sich um Männer drehen und scheinen dazu zu tendieren, das latent zu reproduzieren.
Ich sehe letztendlich zwei nicht ganz deckungsgleiche Fragen:
1. Haben, auch dann, wenn das Setting eine starke Geschlechtertrennung kennt, weibliche Figuren gleich spannende, involvierende und erfüllende Spielansätze, wie die männlichen sie haben? Ich glaube, dass sich damit alle, die Spiele schreiben, konfrontieren müssen, vor allem aber dann, wenn man sich eben in einem dezidiert patriarchalischen Setting bewegt. „Ich finde es spannend, eine eingeschränkte Rolle zu spielen“ ist ein Standpunkt, den ich schon von manchen Frauen in so einem Zusammenhang gehört habe, „ich find es ok, wenn die Rolle einfach weniger vom Spiel hat“ hingegen nicht 🙂.
Obwohl ich dieses Thema seit einigen Spielen schon klar am Schirm habe und mich wirklich bemühe, merke ich jedes Mal, dass das ab und zu wirklich keine Leichtigkeit ist und ganz offensiv angegangen werden muss und ich bin daher besonders dankbar über diese Diskussion und euren spannenden Input.
2. Egal wie sehr es einem gelingt, Spielansätze für weibliche Figuren zu schaffen, in einem auf Ungleichheit aufbauenden Setting (bspw. die meisten historischen) bleiben gewisse Bereiche bzw. Zugänge dazu bestehen, die nur männlichen Rollen offen stehen. Das lässt sich nicht weg diskutieren und auch nicht ändern, solange man das Szenario nicht dahingehend bewusst von der Vorlage entfremdet. Ich finde es legitim, solche Szenarien zu bespielen, mache es ja selbst auch und entnehme dem regen Zulauf, den sie quer durch die Orgas bei weiblichen TeilnehmerInnen finden, dass das auch viele Frauen so sehen. Ich glaube aber, dass es bei solchen Szenarien dann umso wichtiger ist, diesen Fakt bereits in der Ausschreibung bzw. Anmeldung zu thematisieren und damit von Anfang an durch offene Kommunikation klare Erwartungshaltungen zu schaffen. Persönlich habe ich daher bei meinem Anmeldefragebogen dazu einen Punkt ergänzt, der darüber aufklärt und die Teilnehmerin bittet, kurz auszuführen, inwiefern das für sie interessant ist und ob fallweise eine Ausnahmelösung gefunden werden muss („die einzige Erbin, die daher trotz Weiblichkeit offen über Politik und Krieg verhandeln kann“, etc.).
tldr; Ich glaub, es gibt da ein latentes Problem, dem man am besten beikommt, indem man es gezielt und regelmäßig thematisiert, weswegen diese Diskussion super ist 🙂.
Ich selbst habe damals geantwortet:
Was ich in letzter Zeit erlebe: Bei fiktiven Settings werden sexistische Stereotype immer seltener akzeptiert; d.h. man muss als Orga mittlerweile echt schon damit rechnen, auf facebook oder sonstwo gebasht zu werden, wenn man die eigene Fantasywelt unreflektiert mit patriarchalen Klischees ausschmückt.
In den historischen Settings ist das Thema wohl schwieriger. Sich einfach mit dem Argument “das war damals halt so” herauszureden, ohne weiter darüber nachzudenken, klappt heute aber nicht mehr. Wahrscheinlich hilfts dabei auch, wenn man Frauen im Team hat, denn wir schreiben ja oft Rollen, die wir auch selber gerne spielen würden. 🙂
Wenn man nicht unreflektiert an das Thema herangeht, sondern die eigene Intention aktiv kommuniziert, ist aber eh alles möglich, finde ich. Gibt ja sicher auch Frauen, die sehr gerne in traditionelle Settings eintauchen. Und für mich ein wichtiger Aha-Effekt war das hyperrealistische Larp “1942”, das ausgerechnet in der stark feministisch aufgeladenen Nordic Larp Community veranstaltet wurde. Die haben ein norwegisches Küstendorf während der deutschen Besatzungszeit dargestellt. Die Wehrmachtssoldaten wurden von deutschsprachigen Larpern verkörpert (aus unserer Sicht bereits ein erster Tabubruch!), die norwegischen Larper*innen haben die norwegische Dorfbevölkerung dargestellt. Weil von der Location bis zu den Kostümen alles komplett authentisch sein sollte, haben sie auch kein Cross-Dressing zugelassen und Frauen auf “traditionelle” Frauenrollen beschränkt! (was nicht hieß, dass Frauenrollen langweiliger waren: Sie hatten im zivilen Widerstand spannende Aufgaben zu erledigen und viel sozialen Konflikt durch Beziehungen zu deutschen Soldaten usw.)
Das alles war wohl deshalb (ohne shitstorm) möglich, weil sie sehr behutsam an das Thema herangegangen sind und eben sehr offensiv kommuniziert haben. Wenn man als Orga ein heikles Thema anspricht (und eigene Entscheidungen begründet), bevor Außenstehende das Thema unkontrolliert aufgreifen, ist nach meiner Erfahrung schon viel gewonnen und man kann dann eigentlich fast jedes Thema bearbeiten.
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