Kult, Religion und Tradition

Die Bewohner Scarbantias sind ein frommes Volk, Religion hat bei ihnen, wie im gesamten Reich in dieser schweren Zeit, einen hohen Stellenwert.

Die Staatsreligion kreist um ein bunt gemischtes Götterpantheon, in das die Römer nicht nur ihre eigenen (Iuppiter, Iuno, Minerva etc.), sondern auch jene aus eroberten Gebieten (Isis, Grannus etc.) und sogar aus mehreren Entitäten kombinierte Gottheiten (Serapis …) integriert haben. Die Religion ist dabei keine “Erlösungssreligion” im modernen Sinne, sondern eine Religion der ritualisierten Gemeinschaft, in der tiefer Glaube sekundär ist. Stattdessen steht die gemeinschaftliche Kultpraxis im Vordergrund. Man opfert pünktlich den Göttern, um ihre Gunst zu erkaufen oder deren Missgunst abzuwenden (do ut des – ich gebe, damit du gibst). Die Götter, selbst an die Normen gebunden, bieten daraufhin eine Gegenleistung. Diese Kulthandlungen haben dabei staatstragenden Charakter, denn den Staatsgöttern gemeinschaftlich zu opfern wendet Unheil vom Reich ab.

Die römische Kultpraxis ähnelt magischen Handlungen: Werden die Vorschriften und Formeln exakt und fehlerfrei eingehalten, so sind die Götter genötigt, den Menschen ihr Wohlwollen zu schenken. Rituale bildeten daher einen Teil fast allen Tuns. Überaus strenges Festhalten an den überlieferten Riten ist eine Eigenheit der römischen Religion und resultiert in einer kaum übersehbaren Fülle von Geboten und Verboten für alle Gebiete des Kultes; bereits geringste Abweichungen vom überlieferten heiligen Verfahren zwingen zu dessen Wiederholung, um nicht den göttlichen Zorn herauszufordern.

Einen großen Stellenwert genießt die divinatio, die Wahrsagung oder Auslegung der Götterzeichen. Die Prüfung des Götterwillens obliegt grundsätzlich dem Staat, der sie durch sachkundige Seher (haruspices lesen in Eingeweiden, augures beobachten Blitze und den Vogelflug) nach einem verwickelten Regelwerk durchführen lässt.

Der am Forum errichtete Tempel, das Kapitol von Scarbantia, steht im Mittelpunkt der öffentlichen römischen Religion. Er ist der Göttertrias Iuppiter Optimus Maximus, Iuno und Minerva geweiht und nach dem Vorbild des berühmten Kapitols in Rom gebaut.

Doch auch im Privaten führen die frommen Römer Kulthandlungen aus, typischerweise an Herd oder Hausschrein, wo der genius oder die iuno (der individuelle Schöpfergeist jedes/r Römers/in), die lares (Haus- und Weggeister) und die penates (Haus- und Vorratsgeister) angebetet und durch kleine (unblutige) Opfer z.B. von Weihrauch besänftigt werden. Der Hausherr zeichnet sich verantwortlich für die Durchführung der Riten. Die Römer gehen davon aus, dass Geister – oft auch Dämonen – überall wirken, es ist normal und alltäglich an Zauberei zu glauben.

Kaiserkult

Eine Besonderheit ist die kultische Verehrung der Kaiser. Man bringt den toten und lebenden Herrschern Opfer dar, betet ihr Bildnis an und macht sie dadurch zwar nicht zu einem Gott (deus), wohl aber zu einem Vergöttlichten (divus). Zusätzlich zum Staatskult ist auch die Person des Kaisers (in ihrer Funktion als oberster Priester, pontifex maximus) selbst mit der göttlichen Aufgabe als Heilsbringer für den römischen Staat beauftragt. Dadurch finden neben den Opfergaben an die Götter auch sakrale Opfer an den Kaiser statt. Teilnahme an religiösen Festen, Anbetung der Götter und des Kaisers sowie der Verzehr des Opferfleischs sind wesentliche Elemente des Lebens als guter römischer Staatsbürger. Jeder, der sich diesen Kulten entzieht, erscheint höchst suspekt, da er den pax deorum, den Frieden mit den Göttern, bedroht und damit das öffentliche Wohl gefährdet.

In den Provinzen gilt der Kaiserkult als Ausdruck der Loyalität gegenüber Rom und wird auch immer wieder von höchster Stelle eingefordert. Vor allem die Christen haben aber Probleme mit der Ausübung des Kaiserkultes, da ihnen das Erste Gebot (Monotheismus) verbietet, Menschen als Götter zu verehren.

Die wichtigsten Götter
IuppiterGöttervater, Blitz, Donner, Luft
IunoFamilie, Hochzeit, Not, Geburt
MinervaWeisheit, Wissenschaft, Strategie
NeptunMeer, Erdbeben, Pferde
Marszerstörerischer Krieg, Schlachten
VenusLiebe, Schönheit, sinnliche Lust
Christentum

Von den Römern erst kaum beachtet, finden die Ideen dieser einst jüdischen Sekte vor allem in den unteren Bevölkerungsschichten des Imperiums großen Anklang. Im Gegensatz zur Staatsreligion versprechen die Christen Erlösung und Vergebung der Sünden; jeweils neuartige Konzepte, die beim verarmten Plebs auf fruchtbaren Boden fallen. Viele Christen bezeichnen sich selbst als staatstreue Bürger des römischen Reiches und berufen sich auch darauf, dass sie für das Wohl des Imperiums und des Kaisers beten. Dies impliziert jedoch auch, dass sie den Kaiser nicht anbeten, sondern eben nur für ihn beten, was eine Abkehr vom Kaiserkult bedeutet. Zudem verweigern sie den römischen Staatssymbolen ihre Anerkennung und predigen diese Lehre durch umfangreiche Missionstätigkeiten auch lautstark, wodurch diese Religion umso mehr die römische Gesellschaftsordnung aufzuspalten droht. Damit zogen sie sich schon oft den Unwillen der übrigen Bevölkerung zu, was zu blutigen, aber regional begrenzten Verfolgungen geführt hat.

Deshalb also sind die Christen Staatsfeinde, weil sie den Kaisern weder sinnlose noch verlogene oder verwegene Ehrungen erweisen, weil sie als Menschen, die die wahre Religion besitzen, auch die Festtage der Kaiser lieber in ihrem Herzen als mit Ausschweifungen feiern. – Tertullian

Von Plinius d. J. wissen wir, dass der römische Staat zwar nicht von sich aus systematisch nach Christen fahndet, jedoch Leute, die als Christen angezeigt werden, vor die Wahl stellt, dem Kaiser Opfer zu bringen, das heißt dem Christentum abzuschwören, oder hingerichtet zu werden. Daraus resultiert für die Christen eine permanente Rechtsunsicherheit, die sie vom Wohlwollen nichtchristlicher Nachbarn abhängig macht. Nicht das Christsein, nur das Christbleiben wird bestraft.

Mysterienkulte

Den magischen Charakter der römischen Religion unterstreichen vor allem die Mysterienkulte. Diese stehen nicht im Widerspruch zum Staatskult, sondern existieren parallel und ergänzend. Eingeweihte in die Mysterienkulte können trotzdem an den Staatskulten teilnehmen, weswegen sich sogar schon Kaiser in die Geheimnisse einweihen ließen.

Am bekanntesten ist der Männern vorbehaltene Mithraskult, den die Legionäre aus dem Osten mitgebracht haben. Außenstehende wissen nicht viel darüber und Initiierten ist es verboten darüber zu sprechen. Das Mithräum in Scarbantia ist Uneingeweihten stets verschlossen. Es gibt sieben Weihestufen, die ein Gläubiger durchläuft und die allen Männern, unabhängig ihres Standes (also auch Sklaven) offen stehen.

Doch auch Frauen haben einen exklusiven Geheimkult, denn bei den Feierlichkeiten der Bona Dea sind alle Männer ausgeschlossen. Zu den heiligen Riten selbst sind nur verheiratete Frauen zugelassen, wobei ihnen verboten ist, darüber zu sprechen. Die Rituale finden in privaten Häusern, meistens jenen von amtierenden Magistraten statt. Es dürfen auch keine männlichen Sklaven oder Tiere anwesend sein, sogar Statuen oder Abbildungen von Männern werden verdeckt.
Im männerdominierten römischen Reich ist es eine Besonderheit, diesen Kult komplett außerhalb des Machtbereichs der Männer zu haben. Versuche, als Frau verkleidet bei den Feierlichkeiten teilzunehmen, gelten als Sakrileg und endeten nicht selten mit der Hinrichtung des Eindringlings.

Weissagung

Wenn es um kleine oder gar persönliche Dinge geht, die man über die Zukunft wissen oder Verstorbene fragen will, sind die Wahrsager gefragt. Die tummeln sich in bunten Zelten auf den Foren und bieten ihre Dienste an, wenn sie nicht gerade aus der Stadt verjagt wurden. Frauen, die sich als Wahrsagerinnen betätigen, sind besonders geschätzt und werden saga genannt. Ihr böses Gegenstück ist die malefici, eine Hexe, doch fällt die Unterscheidung oft nicht leicht.

Die wichtigsten weiteren Götter
AesculapiusHeilkunst
Apollo | GrannusPoesie, Prophetie, Heilung
BacchusWein, Rausch, Zügellosigkeit
Bona DeaFruchtbarkeit, Jungfräulichkeit
CeresErde, Fruchtbarkeit, Ernte
FortunaGlück, Zufall
FurienRachegöttinnen
IsisHimmelskönigin, Wiedergeburt
MerkurDiebe, Handel, Reisende
NemesisZuteilung des Gebührenden
PlutoHerrscher der Unterwelt
SerapisUniversal- und Schutzgott
VestaHerdfeuer, Familieneintracht
VictoriaSieg
VulcanusVulkane, Feuer, Schmiede
Totenkult

Bei den Römern geht Trauer um die geliebte Person mit Totenfurcht einher. Letzterem liegt eine wie auch immer gedachte Vorstellung von einem Weiterleben nach dem Tode zugrunde, denn eine einheitliche Vorstellung vom Leben nach dem Tod gibt es nicht und schwankt zwischen einem Weiterleben auf einer Insel der Glückseligen (elysium) bis hin zum freudlosen Schattendasein (hades). Gleichwohl ist man allgemein der Ansicht, daß die Toten die Geschicke der Lebenden beeinflussen könnten. Daher ist es wichtig, die verstorbenen Ahnen nicht zu vergessen, sonst suchen sie in Form von lemures die Häuser heim und bringen Unglück.

Vor dem unmittelbar bevorstehenden Tod versammeln sich die Verwandten und Freunde am Bett des Sterbenden, um sich zu verabschieden und ihn zu trösten. Der Nächstverwandte gibt ihm im Augenblick des Todes einen Kuss, um die Seele einzufangen, die im Augenblick des Todes den Körper verlasst; und drückt dem Toten die Augen zu. Darauf rufen alle Unstehenden den Toten beim Namen, beklagen, salben und kleiden ihn ein, um dann noch eine Münze als Fährlohn für die Überfahrt ins Totenreich unter die Zunge zu legen.

Der Trauerzug führt durch die Stadt zu den außerhalb gelegenen Familiengrabstätten oder Katakomben, zu denen der Tote von seinen Verwandten oder den anläßlich seines Todes freigelassenen Sklaven getragen wird, während Klageweiber beständig klagen. Nach der Grablegung folgt ein Totenmahl, daraufhin müssen die Verwandten sich einer mit Feuer und Wasser durchgeführten Reinigungszeremonie unterziehen.

Wichtige Totengedenktage sind Geburtstag und Sterbetag eines Familienmitgliedes. Am dies natalis und den festi dies anniversarii halten die Verwandten und Freunde am Grab ein Totenmahl ab und zünden Lampen am Grab an. Durch diese Zeremonien und Feiern soll den Verstorbenen Trost und Zuspruch zuteil werden.