TeilnehmerInnen Vor- und Nachbereitung
Potentiale und Nachteile von Pre-Game-Workshops und Nachbereitung im Vergleich zu anderen Methoden
Zu Beginn wollen wir klarstellen, dass die Idee einer Vorbereitung und Nachbereitung zu Liverollenspielen und deren Integration in das Game-Design und die Produktion nicht von uns stammt. Es gab und gibt auch in Österreich eine Tradition der Spielvorbereitung für Spieler und Nichtspieler, die in Form von Vorbesprechungen, meist aber einfach schriftlich statt gefunden hat.
Die Art von Vor- und Nachbereitung, von der wir sprechen, haben wir aus dem skandinavischen Bereich übernommen, als wir begonnen haben, Inspirationen, oder auch ganze Spiele aus den dortigen Archiven aufzugreifen und zu verwenden.
Wie kam und kommt es aber dazu, dass diese Designer und wir überhaupt irgendeine Art von Vorbereitung und Nachbereitung zu Spielen propagieren und für sinnvoll erachten?
Ansprüche an ein Spiel
Jede und jeder hier hat schon mindestens ein Spiel veranstaltet und weiß daher, dass die Veranstaltung eines Spieles immer an gewisse Erwartungen und Wünsche geknüpft ist. Wir haben versucht, eine kleine Liste zu erstellen, auf der wir glauben dass sich jede oder jedeR OrganisatorIn wiederfinden wird:
Was wollen wir also von unseren TeilnehmerInnen?
- Regelkenntnis
Hier geht es nicht zwingend um die Kenntnis von bespielten Regelwerken, auch wenn dieser Punkt hier unterzuordnen ist. Liverollenspiel ansich ist immer reglementiert. Die TeilnehmerInnen müssen wissen wo die Grenzen zwischen Spiel und Realität sind und müssen zB einige Safewords und Gesten kennen. Je komplexer die Regeln eines Spieles sind, desto höher die Erwartungen an die SpielerInnen und desto intensiver sollte die Auseinandersetzung mit denselben stattfinden. - Ähnliche Spielphilosophie
Erst wenn alle TeilnehmerInnen die gleiche Vorstellung davon haben, welcher Spielstil angewendet wird, wird ein Spiel durchgehend flüssig und eine spielerische Dichte bzw ein gewünschter Spaßlevel kann eintreten. Hierzu zählen zB ein Anspruch an das Ausspielen von Emotionen, die Wichtigkeit immer Intime zu bleiben, der Level an Humor im Spiel, die Körperlichkeit von Kämpfen uvm. - Konstruktives und faires Spiel
Quasi ein Unterpunkt der Spielphilosophie sind konstruktives Spiel und Fairness. Wir wollen, dass unsere TeilnehmerInnen Spielangebote annehmen und weitergeben und so nicht nur für sich sondern für alle Beteiligten ein schönes Spielerlebnis schaffen. Fairness ist besonders bei Spielen mit kompetitiven Elementen ein sehr wichtiger Punkt. - Settingskenntnis
Auch wenn unsere TeilnehmerInnen die Regeln kennen und alle ungefähr auf einer Wellenlänge spielen, heißt dass noch nicht, dass sie sich in unserem Setting auskennen. Natürlich gibt es hier je nach Spiel sehr unterschiedlich hohe Ansprüche. Ein Spiel mit freien Charakteren, die in eine ihnen unbekannte Welt stoßen, wird an diese TeilnehmerInnen weniger Anspruch haben das Setting zu kennen, als zB ein gecastetes oder historisches Spiel. Grundsätzlich denken wir aber, dass es fast jedem Spiel zuträglich ist, wenn die TeilnehmerInnen sich gut mit der bespielten Welt auskennen. - Vertrauen zu uns und zu einander
Ein oft unterschätzter Punkt, der besonders bei Spielen mit sehr heterogenen SpielerInnen-Zusammensetzungen an Wichtigkeit gewinnt. Je mehr Vertrauen die SpielerInnen zueinander und zu uns haben, desto gelöster, fairer und konstruktiver werden sie spielen. Liverollenspiel kann emotional und körperlich sehr fordernd sein und es sollte klar sein, dass solche Erlebnisse in einer geschützten und zwischenmenschlich abfedernden Umgebung stattfinden sollten, außer das Spieldesign sieht es absichtlich anders vor. - Ausrüstungsstandards
Hierzu gibt es nicht viel zu sagen. Sicherheitsstandards zB bei Waffen und ein Anspruch an Gewandungen zB besonders bei historischen Spielen zählen hierzu. - Spielrelevante Fähigkeiten
Selten aber doch ist es für Spiele nützlich wenn relevante Fähigkeiten vorhanden sind. Werden zB verschiedene Kulturen mit verschiedenen Sprachen auf einem Spiel bespielt, ist es sinnvoll wenn alle SpielerInnen einer Kultur auch einer Sprache mächtig sind.
Aber wir haben als OrganisatorInnen nicht nur Ansprüche an unsere TeilnehmerInnen, sondern auch an unser Spiel selbst.
Auch hierzu eine kleine Aufzählung:
- Eine Idee verwirklichen
- Anderen Spaß bereiten
- Ein Thema behandeln
Ein Punkt der für uns zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Viele unserer Spiele behandeln neben einer erzählten Geschichte, oder statt einer Geschichte ein Thema, wie zB Verfolgung, Angst, spezifische zwischenmenschliche Auseinandersetzungen etc. - Ein Setting generieren
- Immersion erzeugen
Immersion, also die Möglichkeit für TeilnehmerInnen sind ununterbrochen und ungestört in ein Spielerlebnis fallen lassen zu können, gehört für uns in den meisten Fällen zu den wichtigsten Ansprüchen an unsere Spiele. Das setzt aber eine Menge andere erfüllte Ansprüche voraus, wie zB eine gemeinsame Spielphilosophie, konstruktives Spiel, Vertrauen!, Setting- und Regelkenntnis usw. - Neue Techniken austesten
Auch ein zunehmend relevanter Punkt in unserem Spieldesign ist das Austesten neuer Regelments und sogenannter Metatechniken, also Spielimpulsen die während des Spiels, aber nicht innerhalb des Spiels stattfinden und damit Einfluss auf das Spiel über die Wahrnehmung durch die SpielerInnen und nicht durch deren Charakteren haben. (Sie stehen übrigens dem Anspruch an Immersion oft diametral entgegen) - Eine sichere Spielumgebung schaffen
Siehe Vertrauen und Regeln. - Selber Spaß haben
Wie ihr gemerkt habt sind die Ansprüche die wir als OrganisatorInnen an ein Spiel und unsere SpielerInnen stellen gar nicht klein und unbedeutend. Martin Nielsen nennt den Prozess der Angleichung zwischen Ansprüchen und dem Ergebnis “Kalibrierung” beschreibt dies folgendermaßen:
“Alle TeilnehmerInnen gleichen ihre Interpretationen eines Phänomens (in dem Fall eines oben beschriebenen Anspruchs) so an, dass sie am Ende mehr oder weniger zu der gleichen Interpretation kommen.”
Wie schaffen wir aber als OrganisatorInnen diese Angleichung aller Ansprüche?
Erfüllungsgehilfen
Um unsere gewünschte Harmonie zu erreichen stehen uns mehrere Mittel zu Verfügung. (Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:)
Der Verweis und die Aussendung von Lektüre (Selbst verfasste Dokumente, Wiki-Einträge etc.)
Der Vorteil hier ist die Möglichkeit sehr große Informationsmengen sehr einfach verteilen zu können. Außerdem haben alle EmpfängerInnen die Möglichkeit diese Informationen zu dem für die besten Zeitpunkt und in der für sie angenehmsten Geschwindigkeit zu lesen und zu verarbeiten. Der Nachteil liegt in der sehr trockenen und inaktiven Informationsaufbereitung und der mangelnden Kontrolle über den tatsächlichen Informationsstand der TeilnehmerInnen.
Ansprachen vor Spielbeginn
Hier können noch schnell vor Spielstart die relevantesten Infos mündlich weiter gegeben werden. Durch den Adrenalinspiegel und die Vorfreude ist davon auszugehen, dass die Information zumindest angenommen und verarbeitet wird. Außerdem ist sie so frisch vor Spielstart in den Köpfen der TeilnehmerInnen verpflanzt. Nachteilig ist die oft mangelnde Zeit und damit der beschränkte Informationsgehalt der Ansprache – es wollen ja schon endlich alle loslegen.
Spiel-Vorbesprechungen
Vorbesprechungen sind quasi lange und ausführliche Ansprachen. Was den Vorteil hat, dass viel mehr Information vermittelt werden kann. Durch die mündlich Vermittlung und die soziale Interaktion und die Möglichkeit Rückfragen zu stellen, ist davon auszugehen, dass die Information bereitwilliger und nachhaltiger aufgenommen wird als wenn sie schriftlich ausgehändigt wird. Nachteilig ist der nötige Zeit- und Organisationsaufwand, da die Besprechungen oft einige Zeit vor dem Spiel in einer ausreichend großen Lokalität abgehalten werden und sich nie alle SpielerInnen die Zeit nehmen werden dorthin zu kommen (oder geografisch gar nicht die Möglichkeit haben)
Workshops
Auf sogenannten Workshops soll der Fokus unseres Vortrags liegen. Als Workshops bezeichnen wir eine festgelegte Zeit vor dem Spiel (entweder direkt vor dem Spiel oder wie die Vorbesprechung etwas zeitlich vorversetzt), die von den OrganisatorInnen so geplant und durchorganisiert ist, dass alle für das Spiel relevanten Ansprüche und Themen auf verschiedene Arten angesprochen und getestet werden können.
Das besondere An Workshops ist der Anspruch neben harten Fakten, wie Regeln und Informationen auch “Soft-Skills” wie Vertrauen und Charakterentwicklung und -spiel ansprechen zu wollen. Dazu kommt ein großes Repertoire an Techniken zum Einsatz, das nebenbei auch noch den Anspruch hat unterhaltsam und kurzweilig zu bleiben.
Praktische Anwendung am Beispiel von “&eva|adam&”
Um nicht vollkommen abstrakt zu bleiben, wollen wir nun Beispiele aus unsere eigenen Erfahrung vorbringen.
Als Beispiel möchte ich die sehr umfangreichen Workshops erwähnen, die vor den Spielen “&eva” bzw “adam&” abgehalten wurden. Diese haben sich über 2 Abende in der Woche vor dem eigentlichen Spielwochenende erstreckt und waren im Falle von &eva auch so konzipiert, dass die vielen Larp-Anfängerinnen, die an diesem Spiel teilgenommen haben, bestmöglich vorbereitet wurden:
Nach einer grundsätzlichen Klärung warum alle hier sind und es Workshops gibt, war es uns zu Beginn wichtig eine Vertrauensbasis zwischen den SpielerInnen aufzubauen. Zuallererst galt es daher zu betonen, dass kein Frontalunterricht stattfinden soll. Fragen, Anregungen und Beschwerden sind immer erwünscht, nie blöd und wir wollen alle nur das Beste für einander.
Es folgte eine Vorstellungs- und Kennenlernrunde, die ich auch bei eingespielten Spielerschaften empfehlen würde, da sie einen einfachen und unaufregenden Einstieg und in die gemeinsame Zeit bieten.
Als Icebreaker folgten Improübungen, für die wir uns aus dem Theaterbereich bedienen. Dabei stand der Spaß und das lockere Zusammenspiel und natürlich der weitere Vertrauensgewinn im Mittelpunkt.
Der nächste Punkt auf unserer Agenda waren Emotionen, da wir gerne ein emotional forderndes Spiel generieren wollten und unseren TeilnehmerInnen ein gutes Toolkit mit ins Spiel geben wollten. Bei der Emotionsskala, die wir dafür eingesetzt haben, bewegen sich die TeilnehmerInnen durch den Raum und eine Leiter/eine Leiterin führt durch eine Emotion, wobei dabei eine Skala von 1 (neutral) bis 10 (maximal intensiv) etabliert wird. Wird zum Beispiel die Emotion Wut behandelt starten alle Teilnehmer auf Stufe 1, also neutral, im Raum, dann steigert der Leiter/die Leiterin die Stufe und die Teilnehmer können die vielen verschiedenen Facetten des Verhaltens zwischen “etwas mürrisch” und “komplett am ausrasten” für sich erproben. Die/der LeiterIn machen währenddessen immer wieder auf generelle Möglichkeiten der Darstellung wie Gang, Atmung, Blick etc. aufmerksam. Bei dieser Übung unteragieren die TeilnehmerInnen nicht miteinander sondern bewegen sich ganz für sich und auf sich selbst konzentriert auf dieser Skala. Die Emotionen, die wir aufgegriffen haben, waren Wut, Angst, Trauer, Stolz und Verliebtheit. Die im Raum entstehenden Stimmungen sind in unserer Erfahrung sehr beindruckend und intensiv und wir haben gutes Feedback für diese Art der Workshops erhalten.
In einem darauf folgenden Workshop galt dann die erprobten Verhaltensweisen in einer flüchtigen Interaktion umzusetzen. Die TeilnehmerInnen bewegten sich wieder unter Anleitung einer Emotionsskala durch den Raum und sollten sich aber nun, entsprechend der Emotion grüßen.
Da die Erforschung von Emotion sehr aufreibend ist, folgte ein auflockernder Workshop bei dem die Körpersprache generell und auch der Spaß im Vordergrund stand. Beim “Kauderwelsch” wurden die TeilnehmerInnen in Paare oder 3er-Gruppen unterteilt und es wurden Szenen vorgeschrieben, die sie zu improvisieten hatten (in unserem Fall Candlelight-Dinner, Beim Arzt und Fahrscheinkontrolle), wobei sie dabei alle Worte durch beliebige Zahlen ersetzen mussten. Sinn dieser Übung ist es aufzuzeigen, was mit Körpersprache möglich ist und wie leicht es ist auf einander einzusteigen und eine Szene fortzusetzen, ohne zu wissen was das Gegenüber genau möchte. Kauderwelsch wird dabei zu einem Mittel zu konstruktives Play-to-Flow zu ermutigen.
Beendet haben wir unseren ersten Workshopabend nach 3 Stunden mit einer Runde Freeze-Tag in der Großen Runde – eine Improübung bei der zwei TeilnehmerInnen in der Mitte improvisieren und jedeR zu jeder Zeit durch Klatschen die Szene einfrieren, die Position eines/einer SpielerIn einnehmern kann und dann die Szene und das Setting gänzlich verändert, worauf sich der Mitspieler natürlich einstellen muss.
Nachdem wir den zweiten Abend mit selbiger Übung eingeläutet hatten, haben wir uns auf die Regeln und Metatechniken gestürzt, die sich vor allem auf Konflikt und Körperkontakt bezogen haben. Angefangen mit einer Einführung zu Safe-Words (Stop und Wenn das deine Mutter wüsste), wollten wir diese auch gleich austesten, dazu sollten sich jeweils zwei TeilnehmerInnen so nahe kommen, bis einer von ihnen das Safeword “Wenn das deine Mutter wüsste” benutzt. Nach einem PartnerInnen-Wechsel wurde die Übung wiederholt.
Dem folgte eine Einführung in den Infight und eine Erklärung von Ars Amandi als mögliche Darstellungsform für sexuelle Kontakte. Diese Art der Workshops haben wir im Lauf der Zeit immer weiter verfeinert und auch freiwillig vor der Stadtsimulation “Ismilia” angeboten. Safe-Words vor einem Spiel zu “üben” und das mantraartige Wiederholen der Devise “Lass nichts zu, was du nicht willst” haben sich schon oft als essentiell und zu wenig beachtet heraus gestellt. Auch das Konfliktspiel anhand einer “Konfliktskala” ähnlich der Emotionsskala hat sich als sehr nützlich und bereichernd erwiesen. Auch erfahrene SpielerInnen erkunden bei solchen Trockenübungen noch neue Darstellungsformen und werden sich vor dem Spiel den Regeln des Zusammenspiels und den eigenen sowie den Grenzen des Gegenübers bewusst.
Der letzte Teil unsere Workshops bezog sich schließlich auf die Charakterentwicklung. Nach einer geführten Meditation, bei der die SpielerInnen dazu angehalten waren, die Augen zu schließen und für ein paar Minuten angeleitet in die Gedankenwelt ihres Charakters abzutauchen, folgte eine Charakterentwicklung im Gehen. Bei der unter dem Aufzeigen von Möglichkeiten durch die/den LeiterIn die Körpersprache des Charakters erforscht wurde. Gleich anschließend wurde sich der Emotionsskala noch einmal bedient – diesmal allerdings im Charakter.
Da wir verschiedene gecastete Gruppierungen auf dem Spiel hatten, gaben wir diesen anschließend Zeit um sich outime zu besprechen. Dann wurden vorbereitete Szenenvorschläge aus der intime-Vergangenheit an die Gruppen verteilt, die angespielt wurden. Diese Form der spielerischen Vorbereitung hat sich schon mehrfach bewährt, da es ein Einpielen von Charakteren vor Spielbeginn ermöglicht und außerdem gemeinsame “Erinnerungen”, quasi eine gemeinsame Vergangenheit erzeugt, auf die im Spiel gut zurück gegriffen werden kann. In einigen Fällen gehen diese Vorbereitungen so weit, dass die SpielerInnen die angespielten Szenen sogar nach Absprache noch einmal wiederholen, um eine für alle Beteiligten, perfekte emotionale Ausgangsituation zu schaffen.
Doch Workshops müssen nicht immer von der Spielleitung indiziert und angeleitet werden. Sie können auch von selbstständigen SpielerInnengruppen in Eigenregie abgehalten werden und bieten dann ein selbstermächtigendes und spielbereicherndes Instrument, das ein individuelles Spielerlebnis, unabhängig von äußeren Einflüssen, stark positiv beeinflussen kann.
Spielvorbereitung von SpielerInnen für SpielerInnen
Selbstverständlich müssen Vorbereitungsworkshops nicht durch die SL forciert werden, sondern können auch durch SpielerInnen angeleitet werden. Dies soll am konkreten Beispiel: Ludus am Epic Empires veranschaulicht werden.
Rahmenbedingungen
Das Epic Empires ist ein deutsches Großcon auf dem unter Anderem ein antikes Lager bespielt wird. Der Ludus des Aetius Sebastianus ist ein Teil davon. Der Ludus wird von ungefähr 20 SpielerInnen belebt, die die ganze Bandbreite von hohen römischen Herrschaften bis zu untersten Sklaven darstellen. Die SpielerInnen kannten sich zum Teil nicht und hatten bis zum Spiel unterschiedlich viel Larp-Erfahrung gesammelt.
Aus unserer Sicht war es in diesem Fall aus vier Gründen sinnvoll, Vorbereitungs-Workshops von SpielerInnen für SpielerInnen durchzuführen.
- Eis brechen (Kennenlernen, Spaß haben, eine angenehme und sichere Atmosphäre schaffen)
- Reflexion des stark hierachischen Settings
- OT Sicherheit und OT Spaß trotz stark unterdrückter Rollen (Sklavenleitfaden, Save Words)
- Charaktere Verknüpfen
Ablauf
- Vorstellungsrunde
- Aufteilung der OT-Aufgaben während des Spiels
- Hierachiespiele
Die Hierachiespielen dienten zum Veranschaulichen der Tatsache, dass die Herrschenden im LARP durch die Dienenden dargestellt werden und es ohne ein entsprechendes Miteinander nicht funktioniert - Save Words und Sklavenleitfaden
Dieser Teil beschäftigte sich mit dem Einüben von IT Savewords, die verwendet werden konnten, um subtil und ohne das Spiel zu unterbrechen Szenen zu entschärfen oder Sklavenaufgaben aus dem Weg zu gehen - Charakterverknüpfung
Geskriptete Charakterverknüpfungen wurden angespielt bzw. besprochen und neue Verknüpfungen wurden mit Hilfe eines Spiels generiert, um die IT Gemeinschaft lebendiger zu machen. - Charkatermediation
Am Ende des Workshops wurden die SpielerInnen dazu angehalten, die Augen zu schließen und für ein paar Minuten angeleitet in die Gedankenwelt ihres Charakters abzutauchen.
Die Workshops dauerten ca. 2 Stunden und wurden großteils als bereichernd für das spätere Spielerlebnis empfunden.
Workshops als modulares System
Auch in der skandinavischen Liverollenspiel-Kultur – aus der wir diese Art der Vorbereitung geborgt haben – sind Workshops zwar weit verbreitet, aber der Gegenstand von mündlicher Weitergabe: TeilnehmerInnen erleben Workshops vor Spielen und setzen diese dann wiederum selbst vor den eigenen Spielen ein. Die ursprünglichen Formen dieser Workshops basieren oft auf Übungen aus dem Bereich des Schauspieltrainings und den Improvisationstheaters, oder entstehen einfach durch Kreativität gepaart mit der Notwendigkeit bestimmte Themen ansprechen zu wollen.
Mo Holkar hat sich dieses Jahr im Zuge der Knudepunkt Convention die Mühe gemacht, diese Erfahrungen schriftlich Zusammenzufassen und übersichtlich aufzubereiten. Entstanden ist dabei ein modulares System, bei dem die Bausteine je nach Wichtigkeit eingesetzt oder Weggelassen werden können. Seine Aufzeichnungen decken sich gut mit unseren Erfahrungen und Beobachtungen und können so für zukünftige Spiele einen guten Leitfaden darstellen. Das ganze System hier zu präsentieren sprengt unseren Rahmen bei weitem, daher wollen wir nur einen kurzen Einblick bieten.
Holkar unterteilt zB seine Spielvorbereitung in zwei große Kategorien:
- SpielerInnen
- Charaktere
Die Kategorie “SpielerInnen” beginnt mit einer Vorstellung, mit einer Beschreibung des Ablaufs der Workshops, über Improviastions-Übungen, hin zum Ausspielen von Körperkontakt, Vertrauensübungen, Techniken, Sicherheit, Üben von Fertigkeiten etc. – also all dem, was von den TeilnehmerInnen gefordert wird und was dazu führen soll, dass diese sich entspannt auf das Spiel einlassen können.
In der Kategorie “Charaktere” geht es schließlich um intime-Fragen. Settings-Informationen werden ausgeführt, Verknüpfungen geschärft oder geschaffen, Charakterentwicklungsübungen, sowie das Ausspielen von Szenen zwischen Charakteren gehören in diesen Bereich, der dazu führen soll, dass nun eine Harmonie zwischen den Ansprüchen der SpielerInnen, der OrganisatorInnen und des Spiels besteht und alle auf dem gleichen Level in das Spiel starten können.
(Mo Holkar: Workshop practice – A functional workshop structure method. In: Nielsen und Raasted: The Knudepunkt 2015 Companionbook, S148ff; Dänemark 2015)
Nachbereitung
Wer geordnete und strukturierte Vorbereitung in Form von Workshops als unnötig und verkomplizierend empfindet, wird mit einer geleiteten Nachbereitung sicher noch weniger Freude haben.
Allgemein gesehen, haben so gut wie alle Liverollenspiele in Österreich eine Art Nachbereitungsphase, die sich Großteils durch ein gemütliches Beisammensitzen bei alkholischen Getränken abspielt. Hier werden Geschichten und Erlebnisse von diesem und vergangenen Spielen ausgetauscht, was wir gerne als “war-stories” bezeichnen. Das ist gut und wichtig und hat seine Berechtigung, sonst wäre es wohl nicht so verbreitet.
Was wir allerdings unter einer geleiteten Nachbereitung verstehen, macht dann Sinn, wenn ein Spiel darauf abgezielt hat ein spezielles Thema, oder einen Themenkomplex anzusprechen. Oder wenn die OrganisatorInnen einfach Mehrwert für sich und die Spieler aus dem Spiel herausholen wollen, der sonst verloren gehen würde. Und dieser Mehrwert kann, mit dem Willen dazu, aus beinahe jedem Spiel gezogen werden.
Nehmen wir zB Soronia Nova, ein halb historisches halb Fantasy-Spiel angesiedelt in der tholosischen, einer römisch angelehnten, Kultur. Es wird eine neue Siedlung auf einer eroberten Insel bespielt. Zivile und Militärische Befehlshaber, Handwerker, Soldaten und Sklaven sind vor Ort und erleben ein dichtes Spiel mit gecasteten Charakteren, Intrigen, Dramen etc.. Das alleine reicht für viele Abende der Unterhaltung zwischen den SpielerInnen nach dem Spiel, denn jeder hat ein anderes Spiel erlebt und erfährt etwas neues von den anderen, bzw will die eigenen Geschichten erzählen. Doch über diesen vielen kleinen Themaktiken, die das Spiel zum Leben erweckt haben, stehen große Thematiken wie Sklaverei, Unterdrückung, das historische Verhältnis von Männern und Frauen, das Verhältnis zwischen Militär- und Zivilgesellschaft. Vielleicht ohne es zu wissen haben SpielerInnen hier Themen bespielt, die bei genauerer Reflexion sehr ergibig und lehrreich sein können. Doch wenn keine Plattform geschaffen wird um diese Reflexion geordnet ablaufen zu lassen, werden die allermeisten Erkenntnisse nach dem Spiel verloren gehen.
Eine Möglichkeit das zu Umgehen sind geleitete Diskussionsrunden, bei denen die Spielleitung/das Organisationsteam die Moderation übernimmt und mit bereits vorbereiteten Fragen, die Disskussion anstösst und ein wenig lenkt. So kann auch abseits von Erlebnisberichten sehr konkret über bespielte Thematiken diskutiert und reflektiert werden. Diese Art der Nachbereitung ist allerdings sehr zeitaufwendig und muss eventuell auf den Folgetag nach dem Spiel verschoben werden. Um zu Beschleunigen, besteht die Möglichkeit die SpielerInnenschaft für die Diskussion in kleinere Gruppen zu teilen. Die Diskussion kann auch paralell zu spezifischen Themen ablaufen und die TeilnehmerInnen sidkutieren dort mit, wo sie sich am ehesten Beteiligen wollen. Am Ende können Resümees der Diskussionen vor der Gesamtgruppe vorgetragen oder schriftlich abgefasst werden.
Andere Möglichkeiten der Nachbereitung kommen viel aus dem Bildungsbereich. Beim Wordclusterin zB werden Schlagworte auf Post-Its gesammelt, dann sinnvoll gruppiert und zu Diskussionsthematiken verdichtet. Die Timeline ist ein langer Strich, der den Spielablauf darstellt und auf dem die SpielerInnen ihre winprägsamsten Erlebnisse dokumentieren können. Das erlaubt es Höhepunkte im Spielverlauf zu erkennen und verschiedene Standpunkte zu diesen Höhepunkten anzusprechen.
Potentiale und Einschränkungen
Potentiale
Vorbereitung
- Alle SpielerInnen kennen die notwendigen Regeln, haben sie eingeübt und wissen sie einzusetzen
- Alle SpielerInnen sind mit den (Meta)-Techniken vertraut (Sexualität, Kampf, etc.)
- Die Dynamik unter den SpielerInnen kann in gewissem Ausmaß beeinflusst wer
Nachbereitung
- Reflexion der im Spiel behandelten Thematiken und Erlebnisse
- Gemeinsames und bewusstes Aussteigen aus dem Spiel
Einschränkungen
- Zeitaufwand generell
- Spielzeit vs. Vorbereitungszeit
- Notwendigkeit von Workshops bei homogenen SpielerInnengruppen
- Notwendigkeit in Anbetracht der Möglichkeit von wesentlich weniger aufwendigen Vorbereitungsformen (z.B. SpielerInnenansprache)
CONCLUSIO
Für uns stellen Workshops eine nützliche Erweiterung zu unserem Larp-Design dar. Noch befinden wir uns auf einem Weg, einer Suche nach den richtigen Workshops zum richtigen Spiel zur richtigen Zeit, aber hier gibt es wohl keine Formel für den Erfolg und wir werden noch lange Testen und Erfahrungen sammeln dürfen.
Wir haben bisher großteils positives Feedback zu unseren Workshops erhalten, unabhängig von deren Thematik. Besonders für komplette NeueinsteigerInnen bieten Workshops jeder Art eine gute Basis, um mit mehr Selbstvertrauen, Vertrauen in MitspielerInnen und vor Allem, ausgestattet mit einer guten Basis aus Wissen und Fähigkeiten in ein erstes Spiel zu gehen.
Unter erfahrenen SpielerInnen müssen Workshops eindeutig einen erkennbaren Mehrwert haben, um als Zeitaufwand vor dem Spiel eine Berechtigung zu erhalten. Hier hat sich vor Allem das Szenenspiel vor Spielbeginn als sinnvoll herausgestellt, aber auch mit anderen spielspezifischen Workshops zu Themen wie Konflikt, Charakterentwicklung und Emotion sind wir auf positive Resonanzen gestoßen.
Bei OrganisatorInnen, die die Zukunft des Liverollenspiels in Kultur- und Kunstförderungen oder gar in Förderungen durch den Bereich der politischen Bildung sehen, halten wir Workshops und Nachbereitung sowie eine ausführliche Dokumentation der selben für unerlässlich. Erst durch die gezielte Vor- und Nachbereitung von angespielten Themen, kann glaubhaft vermittelt werden, dass es sich bei einem Spiel um mehr als Realitätsflucht und Freizeitunterhaltung handelt.
Es bleibt zu sagen, dass nicht jedes Spiel Workshops braucht, aber Workshops – so behaupten wir – keinem Spiel schaden können. Sicher ist jedoch, dass vorbereitungs-Workshops und vor allem Nachbereitung nichts für jedermann und jede Frau ist und eine verpflichtende Teilnahme an denselben, sicher zu einem automatischen – wenn auch unbeabsichtigten – Ausschluss von TeilnehmerInnen bei der Anmeldung zum Spiel führen wird. Hier liegt es natürlich bei jeder/jedem VeranstalterIn zu enstscheiden, wo die Prioritäten liegen.