Das Turniersystem
Ein ritualisiertes Turnier bildet den inhaltlichen Rahmen und strukturiert den zeitlichen Ablauf des Spiels. Jede Amazone im kampffähigen Alter führt ihr eigenes Banner und kann den Führungsanspruch stellen. Dazu fordert sie eine andere Amazone zum Kampf. Der Kampf unter Aufsicht der Sophien kann unmittelbar mit der kampflosen Unterwerfung einer Kontrahentin enden, wenn etwa die Tochter formell den Führungsanspruch der eigenen Mutter anerkennt oder eine finanzielle Schuld beglichen wird. Dies ist ein völlig üblicher Vorgang und oft wird auch nichts anderes erwartet. Zwei Schwestern, die sich nicht schon im Vorfeld auf ihren Anspruch einigen konnten und die Entscheidung im offenen Zweikampf suchen, würden wohl für einige hochgezogene Augenbrauen sorgen. Stehen sich allerdings zwei streitbare Amazonen gegenüber, die beide Anspruch auf die Krone der Amazóna Mégista erheben, so wird es zum Zweikampf kommen, dessen Ausgang durch die Sophien entschieden wird.
In beiden Fällen zählt die Besiegte fortan zum Gefolge der Siegerin und wird an ihrer Seite an den weiteren Turnierkämpfen teilnehmen. Die Siegerin tut daher gut daran, die Besiegte während des Kampfes zu schonen, um sie sich als kampfkräftige Unterstützerin zu erhalten.
Sind die Turnierkämpfe der ersten Runde abgeschlossen, können in einer zweiten Runde neue Forderungen ausgesprochen werden. In der zweiten Turnierrunde treten folglich Paare von Amazonen gegeneinander an, wobei sich die unterlegene Amazone und ihre Unterstützerin wiederum dem Gefolge der Siegerin anschließen. Dieses Rundensystem wird fortgeführt, bis sich in einer finalen Runde zwei verbliebene Machtblöcke gegenüberstehen.
Die Entscheidung über Sieg und Niederlage wird in der Regel nicht im Kampf selbst fallen, sondern bereits im Vorfeld bzw. im Zuge der Charakterentwicklung konsensual festgelegt. Diese Metaregel soll, im Sinne einer erweiterten Opferregel, kompetitive bzw. effizienzoptimierte LARP-Kämpfe verhindern und schönem Schauspiel den Weg ebnen. Da fast alle Teilnehmerinnen einen Kampf verlieren werden, sollt ihr euch bereits im Zuge der Anmeldung darüber Gedanken machen, wie euer Charakter damit umgehen wird.
Personalisierte Banner, die wir jeder Amazone zur Verfügung stellen werden, symbolisieren den eigenen Herrschaftsanspruch. Als sichtbares Zeichen einer Niederlage geht das eigene Banner vorübergehend in den Besitz der Siegerin über, die so ihre Anwartschaft auf den Königstitel untermauert.
Und so kam es, dass sich Myrina und Otrere mit gezogenen Schwertern gegenüberstanden. Beide hatten ein vorzügliches Gefolge von jeweils Sieben der feinsten Kriegerinnen um sich geschart, eine furchterregender als die andere. Doch als der Kampf nach den feierlichen Schwurworten eröffnet wurde, trat das Gefolge auf ein vorbestimmtes Zeichen hin einen gemessenen Schritt zurück. Myrina und Otrere, in all ihrem fraulichen Stolz, hatten vereinbart, die Entscheidung im ehrvollen Zweikampf zu suchen.
Und als, nach langem und ebenbürtigen Kampfe, die eine über die andere obsiegte, war der Jubel und die Freude auf beiden Seiten groß, denn jede und jeder sah: Glänzender hatte noch nie eine Königin gewonnen, noch nie eine Königin verloren.
Als also Theseis die Xanthe zum Kampf gefordert hatte, konnte wenig Zweifel am Ausgang dieses ungleichen Ringens bestehen – war doch Xanthe allenthalben als gewaltigste Kriegerin ihres Stammes berühmt und gefürchtet. Doch die kluge und umsichtige Theseis wusste, dass die siegreiche Anführerin den Krieg für sich entscheidet, bevor sie ihn beginnt, nicht umgekehrt. Ihr geliebter Bannerträger, der schöne Jüngling Telamon, hatte also in ihrem Auftrag der Xanthe das Amt der Kriegsfürstin im bevorstehenden Feldzug gegen die Heloten der Küste versprochen – ein Angebot, das Xanthe wohl gefiel. Als nun der rituelle Kampf unter dem wachsamen Auge der Sophien beginnen sollte, ging Xanthe erhobenen Hauptes auf ihr Knie und schwor der gütig lächelnden Theseis immerwährende Treue.
Diese verbürgte Erzählung bietet uns nicht nur einen frühen Einblick in die vielgepriesene Weisheit der Königin Theseis, sondern ist auch ein amüsantes Beispiel für die durchaus bedeutungsvolle Rolle, die das stets geschwätzige Männervolk im Hintergrunde einnehmen kann.
Antandre hatte nichts dem Zufall überlassen. Ein verbotener Trunk aus Schlafmohn und Schierling, durch einen bestochenen Mundschenk wenige Stunden vor dem rituellen Kampfe verabreicht, sollte die Kontrahentin ihrer Kampfeskraft berauben. Tatsächlich hatte Antandre leichtes Spiel, streckte ihre taumelnde Gegnerin mühelos nieder. Allzu offensichtlich jedoch war der ehrlose Verrat, und kurz nur währte die glücklose Herrschaft der ungeliebten Antandre, die sich alsbald von all ihrem Gefolge verlassen und vergessen sah. Die um ihren Sieg Betrogene, Otrera, jedoch lebt in den Herzen ihrer Schwestern bis heute fort, und ihre Tochter Penthesilea sollte dereinst eine der größten Herrscherinnen der Amazonen werden.