Wie beim Liverollenspiel im Allgemeinen geht es beim Besitzer-Sklaven-Spiel ganz besonders ums Miteinander. Das Ausleben und Ausnutzen der Machtposition als Besitzerrolle ist genauso fehl am Platz wie das übermäßige Rebellieren oder Verweigern des Sklavenspielenden. Die Konstellation Sklave – Besitzer verlangt im Liverollenspiel von den Darstellenden beider Charaktere viel Vertrauen und Feingefühl, wie weit man beim anderen gehen kann. Das Zauberwort heißt also Absprache im Vorhinein. Was ist dem anderen unangenehm, was geht noch? Folgende drei Punkte haben sich diesbezüglich als erfolgreiche Ansatzpunkte erwiesen:
- Absprache und gegenseitige Rücksichtnahme
- Savewords und Nonverbale Codes ausmachen
- Aufgaben definieren, Grenzen respektieren
Die Einhaltung dieser Punkte fördern erfolgreiches Besitzer-Sklaven-Spiel.
Die Bringschuld der Besitzerrolle
Als Spieler_in einer Besitzerrolle, hat man eine gewaltige OT-Verantwortung über den Spielspaß der Spieler_in der Sklavenrolle. Die Autorität der Besitzerrolle über die Sklavenrolle beeinflusst das Spiel des Sklavendarstellenden ungemein. Potentiell können Besitzerdarstellende durch Anweisungen/Befehle das Spiel des Sklavendarstellenden zu 100% kontrollieren, und haben daher ungemeinen Einfluss auf den Spielspaß des Sklavenspielenden. Umgekehrt kann Sklavenrolle aufgrund ihrer Position niemals das selbe Maß an Kontrolle über die Besitzerrolle ausüben. Er/Sie sitzt am “kürzeren Ast”.
Die Bringschuld für den Spielspaß beider Rollen liegt also zum Großteil beim Spielenden der Besitzerrolle.
Natürlich heißt das nicht, das die Sklavenrolle keine Verantwortung über den Spielspaß trägt, sie kann nur nicht so leicht so großen Einfluss auf selbigen nehmen wie die Besitzerrolle. Deshalb darf die Besitzerrolle nie den Spielspaß seiner Sklavenspielenden aus den Augen verlieren.
Sklaven wollen unterdrückt werden
Eine unterdrückte Rolle oder “Opferrolle” kann man nur spielen, wenn diese auch tatsächlich IT von einer „Täterrolle“ unterdrückt wird. Umgekehrt kann eine Unterdrückerrolle nur funktionieren, wenn sich ihr Opfer auch IT unterdrücken lässt.
Die erste und offensichtlichste Ebene der Unterdrückung wäre zum Beispiel das Auslassen moderner Höflichkeiten. Einen Sklaven bittet man nicht, man befiehlt. Ebenso bedankt man sich nicht. Diese scheinbare Kleinigkeit bereichert das Spiel und das Ambiente ungemein, kann aber in der Umsetzung durchaus problematisch sein. Der Sklavenrolle würde hier abverlangt dahingehend keine Erwartungshaltung zu haben, sprich, sich nicht OT angegriffen zu fühlen, wenn der eigentlich gerechtfertigte Dank ausbleibt. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass es den Besitzerrollen meistens schwerer fällt dem Druck standzuhalten den Dank wiederholt auszulassen. An dieser Stelle haben sich Codewörter als hilfreich erwiesen, welche man sich im Vorhinein ausmachen kann. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
- „Das wurde aber auch Zeit“ – Eine mögliche IT-Phrase, wenn man gerne Danke sagen will
- „Beeil dich (gefälligst)“ – Das Äquivalent zu Bitte
Die Codewörter lassen sich natürlich auch auf einer viel abstrakteren Ebene verwenden. Auch wenn man sich abgesprochen hat, wie weit man gehen darf und was zu weit geht, kann es im Spiel trotzdem immer wieder zu Situationen kommen, wo es unklar ist, ob man nun zu weit geht oder nicht. Da Unklarheiten OT-Fragen aufwerfen, welche zu stellen Spielstörend wären, haben sich folgende Formeln als Ausweichsmöglichkeit etabliert:
- „Wenn das deine Mutter wüsste“ – Eine IT-Phrase, mit der das „Opfer“ OT ausdrücken will, dass man sich in der Situation unwohl fühlt, oder es gerade zu weit geht. Die „Täterrolle“ kann also IT zurückrudern (Z.B. „Diesmal bist du noch mit einem blauen Auge davon gekommen“) und die Szene wird nicht von einem OT-Gespräch unterbrochen.
- „Wenn das dein Vater wüsste“ – Eine IT-Phrase, mit der das „Opfer“ OT ausdrücken will, dass der „Täter“ zu lax ist und das „Opfer“ sich nicht genug unterdrückt fühlt. Auch hierbei wird das Spiel nicht unterbrochen. Der Sklavenbesitzer weiß aber, dass er schärfer agieren kann oder das „Danke“ – sagen unterlassen soll.
- „Aber Dominus/Domina, du hast doch gesagt ich soll …“ – Eine IT-Phrase, mit der das „Opfer“ OT ausdrücken will, dass es gerade keine Lust auf das hat, was man ihm befohlen hat, sondern lieber das andere täte, was es mit der Phrase ausdrückt (z.B. “Aber Dominus, du hast doch gesagt ich soll jetzt etwas essen gehen” – “Ach ja, stimmt, na dann troll dich!”).
Wenn man unter sich ist kann das Verhältnis durchaus vertraut sein, doch in der Öffentlichkeit muss das soziale Gefälle stets gewahrt bleiben.
Sklaven brauchen klare Aufgaben
Auch wenn es zum Sklavenspiel dazu gehört, hinter dem Besitzenden zu stehen und Dekorativ zu sein, wird das dem Sklavenspielenden auf Dauer doch fad. Abwechslung ist gut, feste Aufgaben, die der Sklavenspielende übernehmen soll, sind noch besser. Folgende Ansätze haben sich als solide Grundlage erwiesen:
- Spielimpulse, denen der Besitzende nachgehen könnte, kann man ruhig auch der Sklavenrolle zuspielen. Dadurch erscheint die Besitzerrolle wichtiger und dem Sklavenspielenden wird nicht fad.
- Botengänge bieten dem Sklavenspielenden Abwechslung und ermöglichen es, einmal abseits der Besitzerrolle zu agieren.
- Die Aufbewahrung der Börse kann ein Sklavenspielender übernehmen. Wann immer Geldgeschäfte zu tätigen sind, kann man die Sklavenrolle schicken und unbeeindruckt weiter gehen, während die Sklavenrolle handelt. Dabei bietet sich auch an, Codewörter zu benutzen. Z.B. „Das gefällt mir“, wenn man als Besitzerrolle will, dass die Sklavenrolle am Markt eine Ware kauft. Der Kauf wird auch von der Sklavenrolle abgewickelt, während man sich als Besitzerrolle um “wichtigere” Dinge kümmert.
Will man Dekadenz ausspielen, sollte man seine Sklavenspielenden nicht nur zur Dekoration benutzen, sondern gemeinsam mit ihnen glänzen. Sich beispielsweise Weintrauben von Sklavenrollen füttern zu lassen kann gut eingesetzt das Highlight einer Szene sein. Nonverbale Kommunikation zwischen Sklaverolle und Besitzerrolle ist hier förderlich, und man sollte als Besitzerrolle nie vergessen, dass auch der Sklavenspielende mal essen und trinken will. Lieber drückt man daher dem Sklavenspielenden den Becher zu oft in die Hand, weil man gerade beide Hände für etwas anderes braucht, damit auch dieser ungesehen einen Schluck nehmen kann. Und wenn es den Anschein hat, die Unterredung dauert noch ewig und der Spielspaß ist für die Sklavenrolle erschöpft, schickt man sie unter einem wichtigen Vorwand fort.
Zu den klaren Aufgaben gehören auch klare Verhältnisse. Welche Arbeiten zu erledigen sind gehört im Vorhinein definiert (Frühstück servieren, Wein nachschenken,…) . Diese (OT-) Arbeit gehört zum Sklavenspiel dazu und können durchaus Spaß machen und spielspaßfördernd sein. Wird es aber zu viel, entsteht Frustpotential für den Sklavenspielenden. Daher muss die Besitzerrolle besonders darauf achten, der Sklavenrolle nicht mehr aufzutragen, als im Vorhinein ausgemacht wurde.
Ein besonders wichtiger Punkt ist hier das “Verleihen” der Sklavenrolle an andere Besitzerspielende. Solange nicht gewährleistet ist, dass diese zweite Besitzerrolle bezüglich der Anfangs genannten 3 Punke auf der selben Wellenlänge mit der Sklavenrolle ist, sollte dies grundsätzlich vermieden werden. Die eigentliche Besitzerrolle kann sich bei derartigen “Mietanfragen” immer auf die Unerlässlichkeit des persönlichen Sklavens hinausreden. “Wer soll dann bitte nacher meine Sandalen putzen?!”
OT-Arbeit, die zwar gemacht gehört, aber nicht wirklich Teil des Spieles ist, sollte man tunlichst nicht den Sklavenrollen übertragen. Vielleicht passt es nicht zur Rolle, z.B. das Geschirr selbst abzuwaschen. Trotzdem ist es unerlässlich, sich dafür selbst die Zeit dazu zu nehmen und einen OT-Ausgleich zur OT-Leistung der Sklavenspielenden zu schaffen, und zum Beispiel auch deren Geschirr mit abwäscht, da diese wahrscheinlich angerichtet, serviert, gefüttert, abserviert, weggeräumt haben. Eine Hand wäscht die andere Hand.
Sklaven haben Macht
Eine Sklavenrolle, der man eine Aufgabe gegeben hat, erledigt diese im Namen der Besitzerrolle. Er/sie agiert quasi als verlängerter Arm, wodurch ein Teil der Autorität der Besitzerrolle auf die Sklavenrolle übergeht. Dieser Macht sollten sich Sklavenspielende bewusst sein, denn auch daraus lässt sich Spielspaß generieren.
Man sollte seinen Sklavenspielenden außerdem ruhig auch Freiheiten lassen. Micromanaging (sich um alles selbst kümmern) beraubt der Dienerschaft ihrer Aufgaben und macht sie obsolet, was Potential für Langeweile birgt. Durch mehr Spielraum bespaßen Sklavenspielende sich leichter selbst, wodurch die Besitzerrolle in der Verantwortung entlastet wird. Doch Vorsicht, die Zügel nicht zu locker lassen!
Bei mehreren Sklavenrollen bietet sich an, auch innerhalb ihrer Struktur soziale Gefälle einzubauen, so dass eine Sklavenrolle auch Macht über andere ausüben kann. In diesem Fall tritt die höherrangige Sklavenrolle in die Besitzerrolle und muss deren Regeln beachten.
Die Beziehung zwischen Besitzer- und Sklavenrolle
Im antiken Setting nehmen Sklaven eine ganz besondere und relativ zentrale Rolle ein. Sie sind allgegenwärtig und in jeder noch so niedrigen oder hohen Position zu finden. Es ist durchaus möglich, dass ein wichtiger Magistrat ein Sklave ist (der verlängerte Arm seines Herren), der freien Bürgern durchaus einheizen kann.
Haushaltssklaven können mit ihren Besitzenden durchaus vertraut sein. Sie gelten als Teil der vom Familienoberhaupt beherrschten Familie und haben oft Einblick in die intimste Privatsphäre ihrer Besitzer. Junge Männer haben ihren ersten sexuellen Kontakt häufig mit Sklaven. Leibsklaven stehen ihren Herren oft so nahe, dass sie in ein enges Vertrauensverhältnis geraten (müssen). Da sie ihren Besitzer oft schon ein Leben lang begleiten kennen sie einander so gut wie niemand anderes, was ihnen auch einen gewissen Einfluss garantiert. Solche Sklaven können als Berater, Gespielen und Freunde großen Einfluss auf ihre Herrschaft ausüben und große Verantwortung übertragen bekommen. Der Verlust eines solchen Sklaven wäre wie der Verlust eines Körperteils.
Sklaven gelten als allgegenwärtig, so dass man ihr Beisein oft ignoriert und ungeniert über alles redet, was den Sklaven die Möglichkeit zu Klatsch und Tratsch geben kann.
Einen guten Einblick in die Allgegenwärtigkeit des Sklavendaseins bekommt man über die beiden Serien Rome (eher historisch) und Spartacus: Blood and Sand (nicht sehr historisch, aber klischeehaftes Setting).
Dieser Leitfaden ist aus der Erfahrung mehrerer Spiele und aus den Perspektiven beider Rollen entstanden. Die genannten Beispiele haben sich mit der Zeit herauskristalisiert und als hilfreiche Stützen erwiesen, als Fundament für ein erfolgreiches Besitzer-Sklaven-Spiel gilt eindeutig das OT-Vertrauen der beteiligten Spieler.
Dieser Leitfaden beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Darstellenden von Besitzer- und Sklavenrollen im Liverollenspiel. Er soll vor allem dazu dienen, das klassische “Dienerschaftsproblem” zu verhindern, bei dem der Spielspaß jener, die eine Dienerschafts- oder Sklavenrolle spielen, hinter dem Spielspaß jener, die Herrschafts- oder Besitzerrollen spielen, zurückbleibt. Dieser Dienerschaftsproblematik kann und soll gegengearbeitet werden, wobei hier nicht alleingültige, aber durchaus zielführende Methoden vorgestellt werden.